Wohin reist Rena?

Rekordzahlen und Kurzarbeit: Der auf Solarzellproduktion spezialisierte Maschinenbauer Rena aus Gütenbach erlebt ein wildes Auf und Ab. Im Interview erläutert Finanzvorstand Stefan Baustert die Hintergründe.

 
Foto: Archiv
 

Herr Baustert, Sie kommen gerade von einer Messe in Shanghai. Haben Sie neue Aufträge  mitgebracht oder waren Sie auf der Suche nach neuen Investoren?

Stefan Baustert: Die Shanghai-Messe zählt zu den bedeutendsten Solarmessen der Welt, weil der gesamte Fertigungsbereich für Solarzellen mittlerweile in China und Taiwan angesiedelt ist. Das Interesse an unseren Entwicklungen war groß. Dass während der Messe direkt Aufträge gelegt werden, ist heutzutage aber eher unwahrscheinlich.

Vor kurzem hat Rena für 2011 ein Rekordergebnis präsentiert. Geht es dem Unternehmen so gut wie nie zuvor?

Baustert: Wir hatten ein sehr erfolgreiches Jahr mit der größten Gesamtleistung und einer erheblichen Margenverbesserung. Die Ebitda-Marge liegt bei 19 Prozent. Das ist ein fantastischer Wert. Allerdings hat sich unser Auftragseingang Mitte 2011 deutlich abgeschwächt.

Wie schlägt sich die Solarkrise denn in Zahlen nieder?

Baustert: Wir kommen von 120 Millionen Euro Auftragseingang 2009. In 2010 schossen die Bestellungen auf 570 Millionen! Die Zahl der produzierten Maschinen pro Woche schnellte von drei auf 25. Das war eine unglaubliche Herausforderung. 2011 hatten wir wieder einen Rückgang auf 120 Millionen.

Sie haben dank des Ausnahmejahrs 2010 nach wie vor einen hohen Auftragsbestand. Ist bei den vielen Solar-Insolvenzen überhaupt sicher, dass die Aufträge auch realisiert werden?

Baustert: Wir haben in China noch eine ganze Reihe von Maschinen bei Kunden stehen, die erst in diesem Jahr in Umsatz gehen. Das macht etwa 150 Millionen Euro aus. Insoweit planen wir 2012 einen großen Teil des Umsatzes aus bestehenden Anlagen realisieren zu können. Wir werden im Laufe des Jahres sehen, ob sich die Umsätze realisieren lassen.

Sie betonen, in einem für die Solarbranche kritischen Jahr nicht nur in der Gesamtleistung sondern auch beim Ergebnis gewachsen zu sein. Was war das Erfolgsgeheimnis?

Baustert: Bei unseren beiden Standardanlagen haben wir die Herstellkosten deutlich gesenkt. Dank eines modularen Aufbaus unserer Anlagen konnten wir 400 Anlagen durch die selbe Fertigungsstraße schicken und den Aufwand für individuelle Ausstattung gering halten. Das funktioniert ähnlich wie in der Autoindustrie.

Der Großteil dieser Aufträge stammte aber noch aus 2010?

Baustert: Richtig, das waren im Wesentlichen Bestellungen von 2010 bis Mitte 2011. Bis Oktober liefen unsere Anlagen noch voll. Dann waren alle Maschinen fertig, die einen Auftrag hatten. Wir mussten reagieren: Leiharbeitskräfte wurden nicht verlängert und wir haben Kurzarbeit eingeführt.

Wieviele Mitarbeiter sind denn aktuell in Kurzarbeit?

Baustert: Im Peak 2011 hatten wir insgesamt 1600 Mitarbeiter und zusätzlich 500 Leiharbeiter. Jetzt sind wir bei 1200 festangestellten Mitarbeitern im Konzern. Davon sind 240 in Kurzarbeit. Unsere 350 Beschäftigten in Polen arbeiten weiter – Polen erlaubt keine Kurzarbeit. Außerdem haben die polnischen Werke ausreichend Auslastung durch Drittgeschäft.

Wie haben Sie die vielen Stellen abgebaut?

Baustert: Viele Stellen waren befristet und wurden nicht verlängert. Einige Mitarbeiter haben uns freiwillig verlassen.

Die Solarbranche liegt am Boden. Man kann sich kaum vorstellen, dass die Modulhersteller 2011 noch nennenswert neue Produktionsmaschinen gekauft haben.

Baustert: Man muss die Modulhersteller von den Zellherstellern unterscheiden. Die Zellhersteller haben wie gesagt sehr viele Maschinen gekauft. Allein im vergangenen Jahr wurden 25 Gigawatt neue Leistung aufgebaut. 2012 sollen es weitere 30 Gigawatt werden.

Wie groß ist denn der Markt für Ihre Maschinen?

Baustert: Experten gehen davon aus, dass bis 2050 ein Drittel der erneuerbaren Energie mit Solartechnik erzeugt wird. Der Markt ist also gigantisch.

Und wie groß ist Ihr Marktanteil?

Baustert: Am Markt für so genannte Inline-Texturierungsmaschinen haben wir nach unseren Berechnungen etwa 50 Prozent Anteil. Wir sind mit Abstand der Größte. An zweiter Stelle folgt nach unserer Einschätzung die Firma Schmid aus Freudenstadt.

Wie hoch ist Ihre Exportquote?

Baustert: Etwa 90 Prozent. Der Großteil geht nach China, Malaysia und Taiwan.

Welchen Anteil an Ihrem Gesamtgeschäft mach die Solarindustrie aus?

Baustert: 85 bis 90 Prozent.

Ihre Gesamtleistung ist 2011 auf 393,3 Millionen Euro gestiegen. Wie hoch war der Umsatz?

Baustert: 317 Millionen Euro.

Das ist deutlich weniger. Sitzt Rena auf einem vollen Lager?

Baustert: Das kann man so nicht sagen. Wir haben natürlich einen relativ hohen Vorratsbestand. Aber den brauchen wir auch, um die noch offenen Aufträge bedienen zu können.

2011 gab es zwischen Gesamtleistung und Umsatz ein Delta von 76 Millionen Euro. Das ist mehr als Ihr Ebitda!

Baustert: Beide Zahlen stehen in keinem direkten Zusammenhang. In Jahren, in denen das Geschäft deutlich steigt, ist die Bestandsveränderung in der Regel höher.

Kann es denn passieren, dass wegen der Solarkrise Teile Ihres Lagerbestands überraschend doch nicht abgerufen werden?

Baustert: Das ist wie in jedem Maschinenbauunternehmen der Welt: Wenn ein Kunde pleite geht, dann kann er nichts mehr abrufen. Aber dafür haben wir keinerlei Indikation. Die Bestandsveränderungen besagen ja nur, dass wir über den Umsatz hinaus noch Maschinen gebaut haben, die dann in die Vorratsposition gingen. Das sind jene Maschinen, die wir als letztes gebaut haben.

Liegen für diese Maschinen denn Aufträge vor?

Baustert: Für 90 Prozent dieser Maschinen liegen Aufträge vor.

2010 war das Delta zwischen Gesamtleistung und Umsatz noch nicht so groß. Ist das Risiko für Rena gestiegen?

Baustert: Schwer zu sagen.

Warum veröffentlicht Rena in den Finanzkennzahlen auf der Homepage nur die Gesamtleistung, nicht aber den Umsatz?

Baustert: Weil wir uns an dieser Größenordnung immer messen. In unserem Geschäftsbericht Ende Juni legen wir alles detailliert nach IFRS offen. Wegen unserer Bond-M-Anleihe gab es aber etliche Anfragen nach vorläufigen Zahlen.

Und gegenüber diesen Investoren macht sich die Gesamtleistung besser als der Umsatz. Oder?

Baustert: Gesamtleistung ist die vom Unternehmen erwirtschaftete Leistung, die nicht nur den Umsatz, sondern auch das Potential über den fakturierten Umsatz hinaus wiedergibt. Die Philosophie unseres Unternehmens ist es, sich an der Gesamtleistung zu messen. Umsatz ist eine andere sehr wichtige Größenordnung.

2010 hat Rena über die Börse Stuttgart eine Unternehmensanleihe begeben. Der Kurs erlebt seither ein wildes Auf und Ab. Warum sind die Investoren so nervös?

Baustert: Sie unterstellen, dass die Investoren nervös sind! Der Markt für diese Anleihen ist sehr eng. Schon kleine Volumina bewirken große Kursausschläge. Die Kursentwicklungen waren nicht von großen Handelsvolumina getragen.

Sie rechnen erst 2013 mit einer Wiederbelebung des Marktsegments Photovoltaik. Brauchen Sie bis dahin nochmal frisches Geld?

Baustert: Wir sind mit einem hohen Liquiditätspolster in dieses Jahr gestartet. Und wir sehen aus der operativen Sicht keinen Bedarf für frisches Geld. Die Übernahme von Stulz H+E ist allerdings ein Sonderthema. Hier denken wir darüber nach, neue Mittel im Bankenmarkt aufzunehmen.

Im Bankenmarkt hieße Fremdkapital. In der Zeitung war zu lesen, dass Sie auch einen Börsengang in Betracht ziehen.

Baustert: Wir schließen einen Börsengang nicht aus. Aber er könnte nicht zum jetzigen Zeitpunkt kommen. Bevor Stulz H+E seine Rechnungslegung nicht von HGB auf IFRS umgestellt hat, brauchen wir über einen Börsengang nicht nachzudenken.

Auf welche Sicht wäre ein Börsengang denn denkbar?

Baustert: Frühestens im Herbst 2013.

Die Übernahme der Stulz H+E kostet Geld. Sie fahren derzeit eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent. Eine Kapitalerhöhung würde Ihnen gut tun.

Baustert: Wir haben nur für den 46-prozentigen Anteil der L-Bank an Stulz einen Cash-Out. Alles andere sind unbare Vorgänge.

So eine Akquisition muss aber erstmal integriert werden. Ab wann versprechen Sie sich von der H+E-Übernahme einen positiven Beitrag zum Betriebsergebnis?

Baustert: Wir hoffen, dass wir bereits 2012 erste Erträge generieren können. Das sind keine großen Beträge aber ein Beginn. Außerdem können wir durch gemeinsame Produktion künftig mehr Anlagenteile standardisieren. Stulz wird bestimmte Vorprodukte in unser polnisches Werk verlagern. Und im Einkauf versprechen wir uns ebenfalls Kostenvorteile.

Das riecht nach Synergiepotenzial. Auf wieviele Stellen können Sie künftig verzichten?

Baustert: Stulz hat rund 1000 Mitarbeiter. Wir sind aber an diese strategische Partnerschaft nicht vor dem Hintergrund der Stellenreduktion herangegangen.

Aber es liegt nahe. Die Verlagerung nach Polen haben Sie doch schon angesprochen.

Baustert: Dabei geht es um Vorprodukte, die Stulz bislang von Zulieferern bezogen hat. Wir sind nicht auf Synergien über Stellenstreichungen aus, sondern versprechen uns von dem Zusammengehen beider Firmen mehr Wachstum, das wiederum Beschäftigung sichert.

Den Standort Bräunlingen sollen Sie bereits geschlossen haben.

Baustert: In Bräunlingen wird schon seit über einem Jahr nicht mehr gefertigt. Wir haben dort noch ein Gebäude angemietet. Darin lagert eine Reihe von Maschinen bis zur Auslieferung an die Kunden. Ob wir den Standort danach aufgeben, werden wir noch entscheiden.

Abschließend nochmal der Blick nach vorn: Wird Rena 2012 erneut schwarze Zahlen schreiben?

Baustert: Das ist unser Ziel. Und das ist auch Teil unserer Prognose im neuen Geschäftsbericht.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?

Baustert: Wir haben Stulz übernommen, weil wir das Unternehmen Rena in eine andere Größenordnung führen wollen. Stulz hat eine ähnliche Vision. Mit einem gemeinsamen Umsatz von über 500 Millionen Euro haben wir ganz andere Chancen im internationalen Wettbewerb, insbesondere im Bereich Abwasser und Klärschlammaufbereitung- und Entsorgung . Und wir würden uns auch nicht scheuen, in fünf Jahren in Richtung eine Milliarde zu gehen.

Welchen Anteil an dieser Milliarde soll dann noch der Solarbereich haben?

Baustert: Das wird davon abhängen, wie sich die Photovoltaik-Industrie entwickelt.

Herr Baustert, vielen Dank für das Interview.

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