ZF will komplett werden

Der Autozulieferer hat ein neues Prüfzentrum als "Fitnesszentrum" in Betrieb genommen und kündigt eine weitere Großinvestition am Stammsitz an – aber eine andere Nachricht ist wichtiger und pikanter

 
Foto: zf
 

Friedrichshafen. Wie nimmt man standesgemäß ein großes Gebäude in Betrieb, das eine wichtige Funktion für die Zukunft des Unternehmens übernimmt, zugleich aber zu abstrakt für eine simple Zeremonie des Band-Durchschneidens ist? Man lässt die Verantwortlichen einen Knopf drücken. So jedenfalls hat es ZF Friedrichshafen bei der offiziellen Inbetriebnahme des neuen Prüfzentrums für Antriebstechnologien am Stammsitz gemacht. Der ZF-Vorstandsvorsitzende Wolf-Henning Scheider, Friedrichshafens OB Andreas Brand und ZF-Forschungschef Dirk Walliser drückten gemeinsam den Knopf.

Drei Jahre haben die Handwerker benötigt, um das dreigeschossige Gebäude mit 5500 Quadratmeter Fläche pro Geschoss entstehen zu lassen. 70 Millionen Euro hat das mehr als 20 Meter hohe Gebäude gekostet. Eine Besonderheit ist zugleich das Herzstück: "Das neue Prüfzentrum für Antriebstechnologien ist das Fitnesscenter für die Mobilität der Zukunft", umschrieb es Vorstandschef Scheider. Denn in den Prüfboxen können alle Arten von Antrieben von elektrischen über hybride bis zu herkömmlichen simuliert werden. Scheider: "Das Gebäude spiegelt den technologieoffenen Forschungs- und Entwicklungsansatz von ZF wider." 

Parallel zur Eröffnung gab ZF die Planungen für eine weiteres Bürogebäude auf dem Campus bekannt. Dort soll Raum für weitere 400 Entwickler entstehen. Die Investitionskosten gab ZF mit einem zweistelligen Millionenbetrag an.

Während das Trio der ZF-Verantwortlichen den Knopf drückte, elektrisierte eine andere Nachricht: Wie das "Handelsblatt" zuerst berichtete, wollen die Friedrichhafener den amerikanisch-belgischen Bremsenhersteller Wabco kaufen. ZF bestätigt inzwischen die Gespräche.

Nach Einschätzung von Experten gibt es für die Übernahme für ZF zwei Betrachtungsweisen: Die erste, ZF würde nach der Übernahme einen Umsatz in Höhe von rund 41 Milliarden Euro schreiben (ZF: 37 Milliarden, Wabco 3,8 Milliarden US-Dollar) – und damit zu den größten Zulieferern Bosch (47 Milliarden Euro) und Continental (45 Milliarden Euro) aufschließen.

Der zweite Aspekt ist aber wichtiger: Mit Wabco hätte ZF für den kompletten elektrischen Antriebsstrang vom Motor bis zu den Bremsen Lösungen im Portfolio. Das wiederum sicher den Häflern einen wichtigen Anteil an der Wertschöpfung von E-Fahrzeugen. Zugleich sind die Bremsen mit ihrer Sensorik ein wichtiger Informationsgeber für die Assistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren. Der Autoexperte Stefan Bratzel kommt deshalb im "Handelsblatt" zu dem Schluss: "Das wäre ein Pfund im knallharten Wettbewerb um die Anteile an der Mobilität der Zukunft." ZF wäre damit vereinfacht gesagt ein kompletter Konzern. 

Allerdings gibt es bei dem angestrebten Deal ein pikantes Detail: Vor zwei Jahren näherte sich ZF schon einmal Wabco an. Damals ließ der Stiftungsrat mit OB Brand an der Spitze – der Konzern gehört zu gut 93 Prozent der Stadt – die Gespräche platzen und setzte den damaligen ZF-Chef Stefan Sommer vor die Tür. Allerdings hatte ZF damals gerade erst TRW für 9,6 Milliarden Euro übernommen, der Verschuldungsgrad war entsprechend hoch. Inzwischen wurde der Zukauf verdaut, die Verschuldung ist gesunken – und die Zeit könnte reif sein.

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