1 Nur gucken, nicht anfassen
Die Modemarke Hilfinger setzt beim digitalen Neuanfang auch auf Kaufhäuser wie Kaiser Mode
Freiburg. Der Modekonzern PVH hat für sich die digitale Revolution ausgerufen. Der Konzern, dessen bekannteste Marken Tommy Hilfiger und Calvin Klein sind, hat sich vom physischen Verkaufen gelöst. Und zwar auch dort, wo der Endkunde es gar nicht sieht: im Geschäft mit den Einkäufern der Modegeschäfte und Kaufhäuser. Boris Mirkovic, Digitalspezialist bei Hilfiger, stellte den Masterplan nun in Freiburg vor. Er berührt auch den klassischen Modehandel.
Um den Ansatz zu verstehen, muss man wissen, wie es bisher war. Das Geschäft zwischen Hilfigers Vertrieb und den Einkäufern der Einzelhändler lief in etwa so, wie wenn die Frau vorm Ausgehen den Inhalt des Kleiderschranks auf dem Doppelbett ausbreitet und dann Röcke und Hosen, Blusen und Pullover abwechselnd vor den Spiegel hält, bis es ihr gefällt. Als Modekonzern braucht man dafür Platz, Helfer und ganz viele Klamotten.
Denn PVH ist ein Riese mit einem Umsatz von knapp neun Milliarden Euro. Er bringt in seinen zwei Hauptmarken rund 6000 unterschiedliche Teile pro Jahr heraus, verteilt auf vier Jahreszeiten. Die Mode muss dann in 60 Showrooms gezeigt werden, in unterschiedlichen Größen und Farben. „Es waren jedes Jahr Millionen Teile“, sagt Mirkovic.
Als Hilfiger seine Pläne vorstellte, Kleiderständer und Bügeltische durch Touchscreens zu ersetzen, schrie der Vertrieb Zeter und Mordio. Mode müsse man doch anfassen. Eine schöne Bluse könne nur Emotionen auslösen, wenn man sie berühren darf. Aber warum, fragt Mirkovic, kaufen die Menschen dann überhaupt online ein? Also baute Hilfiger radikal um. Quasi über Nacht musste der Vertrieb lernen, nur mit digitalen Bildern zu verkaufen. Der Bedarf an Schaustücken wurde um 80 Prozent reduziert.
Präsentiert hat Mirkovic den digitalen Masterplan auf Einladung der Marketing-Community Freiburg/Südbaden (Macs) bei Kaiser Mode, einem der letzten großen Kaufhäuser Freiburgs. Inhaber Frank Motz lebt die Philosophie der Gründerfamilie fort: Einkaufen soll bei Kaiser nicht nur eine Erledigung sein, sondern ein Erlebnis. In genau diese Kerbe schlägt auch Hilfiger mit seiner Strategie für den stationären Handel. Die Vorteile der vernetzten Welt will der Moderiese auch in Kaufhäuser und eigene Geschäfte tragen. Dort beantwortet dann ein Computer die Frage, ob es die Jeans auch eine Nummer größer gibt. Ideen, wie man das Digitale bis in die Umkleidekabine trägt, gibt es genug.
Die aktuelle Bilanz von PVH zeigt: Hilfiger wächst. Calvin Klein, wo die digitale Offensive mit anderthalb Jahren Verzögerung begann, schrumpft. Ob es da einen Zusammenhang gibt, will Mirkovic aber nicht beantworten.
Hauptsorge im Online-Handel sind hohe Retourenquoten. „Wir kennen keinen, der online Geld verdient“, sagt Kaiser-Inhaber Frank Motz. Aber er weiß auch: 2018 lag der Online-Umsatz mit Mode in Deutschland bei fast 17 Milliarden Euro. Das ist viel Geld, das nicht in der Fußgängerzone ausgegeben wird. Vom benachbarten Parkhaus habe er gehört, so Motz, dass im vergangenen Jahr 100.000 Tickets weniger gelöst wurden. Ein Minus von zehn Prozent. Online-Mode hat 2018 um acht Prozent zugelegt. Der Zusammenhang liegt auf der Hand.