1 Die Zukunft der Arbeit
Vitra und Econo luden zum Workshop: Quer durch alle Branchen wurde diskutiert und analysiert. Mit einem klaren Ergebnis
Eine Frage vorneweg: Woran erkennt man denn in modernen Bürolandschaften den Schreibtisch vom Chef?
Er hat als einziger zwei Besucherstühle…
Doch eigentlich hat auch der Vitra-Geschäftsführer Rudolf Pütz wie alle anderen Mitarbeiter garkeinen festen Schreibtisch im Büro in Weil am Rhein. "Den Schreibtisch könnte jeder nutzen, wenn Herr Pütz nicht da ist", plauderte Vitra-Mitarbeiter Sven Wehlmann beim Rundgang. Wobei Wehlmann das Wort "könnte" bewusst nutzt: "Natürlich gibt es hier eine Hemmschwelle."
Willkommen in den modernen Arbeitswelten! Econo lud zusammen mit Vitra Leser zu einem exklusiven Workshop auf den Campus in Weil am Rhein. Das Ziel:den branchenübergreifenden Austausch über die Herausforderungen, Büros und Produktionen auch künftig produktiv zu halten.
Moderne Arbeitswelten beziehen selbst die Schuldnerberatung ins Netzwerk ein.
Um es vorneweg zu sagen: Was da in locker-gelöster Atmosphäre von seiten der Teilnehmer aus Agenturen und Kanzleien, Stahlhändlern und dem ADAC, Hochschulen und Wirtschaftsförderungen sowie dem Medienpartner Auxilion an Chancen und Risiken filigran herausgearbeitet wurde,macht deutlich: Allein kann kein Unternehmen künftig ein attraktiver Arbeitgeber sein. Dafür braucht es deutlich mehr.
Einen Vorgeschmack auf diese Situation gab Torsten Berger, Leiter Personal- und Sozialwesen beiden Badischen Stahlwerken. Bei dem Konzern mit insgesamt rund 1200 Mitarbeitern ist das Finden von Mitarbeitern ebenfalls eine Herausforderung, auch wenn die Arbeitsbelastung dank neuer Technologien sinkt. "Manches lässt sich sogar schon per App steuern", so Berger.
Die Herausforderungen liegen eher bei den Mitarbeitern selbst. Wenn beispielsweise Altgediente vom Sinn neuer Produktionsabläufe und Technologien überzeugt werden müssen. Oder wenn selbst die Bitte um Anreichung eines Hammers von Azubis nicht ohne blöden Kommentar vonstattengeht. Berger: "An die Sozialkompetenz der Ausbilder werden stets höhere Anforderungen gestellt."
Nicht allein deshalb hat Berger inzwischen ein breites Netzwerk an Experten aufgebaut. Selbst mit Schuldenberatern arbeiten die Stahlwerke zusammen. "Gerade bei den Auszubildenden gibt es hier immer wieder Bedarf an Beratung", so der Personalchef. Ein Umstand, den es so vor einigen Jahren noch nicht gab. Berger: "Man muss eben entsprechend darauf reagieren."
Allerdings waren die Arbeitswelten seit Anbeginn von steter Veränderung geprägt, wie Vitra-Vertriebsleiter Ulrich Maier verdeutlichte. Als in den Schreibstuben noch alles von Hand in Kladden festgehalten wurde, sahen die „Büros“ ganz anders aus als mit dem Einzug der Schreibmaschinen. Oder dem Siegeszug der Zentralrechner. Oder dem PC. "Jeder technologische Sprung hat auch zu Veränderungen geführt,wie gearbeitet wird", so Maier.Vom Stehpult zum Großraumbüro zum Einzelschreibtisch…
Und heute? Maier: "Die Digitalisierung und Smartphones verändern aktuell komplett unsere Art zu arbeiten." Stichworte wie Homeoffice und Projektteams sind hier hinlänglich bekannt.
Wie das indes in der Praxis ausschaut, erfuhren die Teilnehmer ganz praktisch beim Gang durch die Vitra-Büros. Im lockeren Spaziergang tauschte man sich munter über das aus, was Vitra in dem 70 Meter auf 30 Meter großen Büroraum vorlebt, der zuvor einen Teil der Produktion beheimatete: Es gibt nur zwei geschlossene Besprechungsräume. Der Rest sind unterschiedliche "Zonen" mit Schreibtischen, Sofainsel, Einzelarbeitsplätzen und der Kaffeemaschine als Mittelpunkt. Sven Wehlmann: "Es gib keinen besseren Ort für einen kurzen Austausch."
Nur zwei Drittel der 170 Mitarbeiterin diesem Büro haben einen festen Arbeitsplatz. Doch Platzprobleme gibt es keine. Wehlmann: "Es sind ohnehin nie alle anwesend, deshalb finden sich immer freie Plätze." Wenn es passt, dann eben auch den des Chefs.
Doch bei den Diskussionen und Gesprächen der Teilnehmer im Rahmen eines "World-Cafés" zu verschiedenen Überschriften wie "Heimat" oder "Geschäftsmodell" wurde rasch klar (lesen Sie hierzu auch die Kurzzusammenfassung in den Grafiken): Moderne Arbeitswelten sind eben deutlich mehr wie Schreibtisch oder Schraubstock. Denn große Sorgen bereiteten den wechselnden Diskussionsrunden vor allem drei Aspekte, die mit dem originären Büro- oder Produktionsarbeitsplatz zunächst gar nichts zu tun haben. Wohl aber mit der weiteren Entwicklung der Unternehmen:
- Der ländliche Raum steckt in der Falle der Unattraktivität. Vor allem die "guten", die kreativen(jungen) Menschen ziehen weg.Ergo diejenigen, die man für die zweite Herausforderung benötigt:
- Die Digitalisierung krempelt die Geschäftsmodelle quer durch alle Branchen kräftig um. Allerdings besteht Unsicherheit, wie man darauf reagieren kann und wo man sinnvoll investieren soll.
- Die Infrastruktur von der Straße über die Schiene bis zum Breitbandanschluss muss dringend zukunftsfähig ausgebaut werden. Alleine, so machen die Denkanstöße deutlich, kann kein Unternehmen die Punkte auflösen. Die breite, branchenübergreifende Debatte darüber gab aber wichtige Impulse. Diesen Austausch will Econo künftig verstärkt fördern.