Standpunkt

Die EU nicht klein machen!


Barbara Mayer und Gerhard Manz von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner über TTIPP: Einfach mit Ruhe und Selbstvertrauen die Verhandlungen weiterführen.

Seit 2013 verhandeln die EU und die USA das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Das Ziel ist kein geringeres als die Schaffung der größten Freihandelszone der Welt. Für die EU wäre der Abschluss zugleich ein gewaltiger Schritt in der gemeinsamen Außenpolitik. Innenpolitisch sind die Fronten verhärtet. Befürworter betonen den Wegfall von Handelshemmnissen wie Zöllen und bürokratischem Doppelaufwand, sehen in der Partnerschaft eine Stärkung der Position Europas und hoffen auf Milliardenimpulse für die heimische Wirtschaft. Gegner befürchten erhebliche Rückschritte in europäischen Errungenschaften wie dem Arbeitnehmerschutz, dem Umweltschutz und dem Datenschutz. Ein besonderer Dorn im Auge der Kritiker sind Regelungen zum Investitionsschutz, nach denen Investoren vor Schiedsgerichten Kompensation für etwaige Nachteile erlangen können, die ihnen durch regulatorische Maßnahmen der Vertragsstaaten entstehen.

Überragender Kritikpunkt ist jedoch derzeit, dass die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, also geheim und damit angeblich undemokratisch stattfinden. Dabei ist es nicht unüblich, dass politische Verträge geheim verhandelt werden. Auch Tarifverträge oder Koalitionsvereinbarungen werden in aller Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit und durch wenige Unterhändler zustande gebracht. Und das aus gutem Grund. Bei jedem Vertrag versprechen sich beide Seiten von einem Abschluss Vorteile. Deswegen sind beide Seiten auch zu Kompromissen bereit. Um entsprechende Verhandlungsmasse zu haben, nehmen die Verhandlungspartner zunächst Positionen ein, die für sie selbst sehr vorteilhaft sind. Kein Unterhändler wird sich dabei in die Karten schauen lassen und offenlegen, welche Verhandlungspunkte für ihn am Ende stehen müssen und welche einem Kompromiss geopfert werden dürfen. Auch dass die Verhandlung hinter verschlossenen Türen einen demokratischen Diskussionsprozess verhindert, trifft nicht zu. Der Abschluss der Verhandlungen markiert nicht das Ende, sondern den Anfang des demokratischen Prozesses, genaugenommen: mehrerer demokratischer Prozesse. TTIP wird als gemischtes Abkommen sowohl durch das EU-Parlament als auch durch die nationalen Gesetzgebungsorgane der Mitgliedsstaaten ratifiziert werden müssen.

Anfang Mai 2016 Woche veröffentlichte Greenpeace unter dem Motto „Transparenz statt Mauschelrunden“ angeblich geleakte Verhandlungsdokumente zu TTIP. Die Reaktionen waren deutlich: Sofort wurden allseits rote Linien gezogen und einzelne Themen als nicht verhandelbar dargestellt. Das dürfte die Kompromissbildung nicht erleichtern. Außerdem sind die Reaktionen voreilig. Denn selbst wenn die durchgestochenen Dokumente echt sein sollten, handelt es sich doch nur um Verhandlungspositionen. Sie enthalten also unweigerlich Standpunkte, die aus Sicht der Unterhändler zwar wünschenswert sein mögen, aber verhandelbar sind und im Rahmen eines Kompromisses aufgegeben werden können. Diese Unterlagen nehmen damit kaum das Verhandlungsergebnis vorweg. So liefern die Greenpeace-Dokumente keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse. Sie offenbaren, dass die Vertragspartner an vielen Punkten noch weit auseinander liegen, lassen aber schon erste Annäherungen erkennen, etwa bei den vielfach kritisierten Schiedsgerichten. Auch bei den TTIP-Verhandlungen werden die großen Kompromisse wohl erst am Schluss zustanden gekommen. Um das Verhandlungsergebnis und die politische Debatte darüber nicht hinfällig werden zu lassen, täte der derzeitigen Diskussion um TTIP etwas verbale Abrüstung gut. Wer laufend behauptet, die USA wollten der EU einseitig ihre Vertragsvorstellungen aufzwingen, macht Europa kleiner, als es ist. 

Foto: Frank Blümler

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