Gründerkolumne

Viel Geld ist schlecht


Campusjäger-Gründer Martin Trenkle plädiert für die Eigenfinanzierung: Die Lernkurve ist schlicht höher und man arbeitet effizienter

Bootstrapping – laut Wikipedia „in der Wirtschaft eine Firmengründung ohne Außenfinanzierung“. Ein modisches Wort – früher hätte man vielleicht einfach von Selbstfinanzierung gesprochen.

Bei dem Hype, den es aktuell um externe Finanzierungsmittel von jungen Gründern gibt, tritt diese Art des Wirtschaftens immer weiter in den Hintergrund. Durch mein Engagement im Bundesverband Deutsche Start-ups oder in der PionierGarage, bin ich häufig in Kontakt mit jungen, am Gründen interessierten Studenten. Leider habe ich keine Erfahrungswerte, wie die studentische Gründerszene „damals“ war, aber ich weiß, wie es heute bei vielen Studenten ohne Gründungserfahrung aussieht: 99 Prozent der Ideen werfen in den ersten drei Jahren erst mal kein Umsatz ab (geschweige denn Gewinn) – die Idee ist ja meistens sowieso, dass das Ding nach drei Jahren verkauft werden soll.

Dieser Trend wird weiter bestärkt, da Neuigkeiten wie „Firma X holt fünf Millionen ins Boot“ immer für Schlagzeilen sorgen, während Storys über selbst finanzierte Unternehmen immer weiter in den Hintergrund geraten. Vor mehr als zwei Jahren haben Jannik, Matthias und ich Campusjäger ohne jegliche Vorerfahrung gegründet. Die ersten finanziellen Mittel haben wir erhalten, indem wir unsere Schlafzimmer an Gäste vermietet und selbst auf dem Boden geschlafen haben. Mit dem Geld sind wir verständlicherweise extrem sorgfältig umgegangen.

Sechs Monate später haben wir externe Mittel „geschenkt bekommen“. Als das Geld auf dem Konto gelandet ist, war statt operativer Arbeit erstmal eine Shopping-Tour angesagt: Über 1000 Euro wurden in Campusjäger-Sonnenbrillen und einen Werbe-Banner über der Mensa investiert, und das, ohne ein gut funktionierendes Produkt zu haben. Der Umgang mit Geld hat sich völlig verändert. Viel Geld kann oft schlechte Auswirkungen auf die Entwicklung des Start-ups haben. Falsche Entscheidungen werden getroffen und der Fokus geht verloren. Wer sich selbst finanzieren muss, braucht ein Produkt mit hohem Nutzen, welches früh Umsätze generieren wird.

Wer sein Start-up selbst finanziert, muss voll hinter der Idee stehen. Durch das andauernde Reinvestieren ist man dauernd knapp bei Kasse – der Verlauf des Umsatzes bestimmt die Laune, da Verluste persönliche Einschnitte mit sich ziehen. Die letzten zwei Jahre „Bootstrapping“ haben uns genau aus diesen Gründen extrem geformt. Durch diese Erfahrung, den sensiblen und dadurch effizienten Umgang mit eigenen Mitteln, sind wir mittlerweile an einem Punkt, an dem wir gut mit externen Mitteln umgehen könnten.
Selbstverständlich stelle ich den Wert von externen Mitteln nicht infrage. Die meisten aufstrebenden Unternehmen (Airbnb, Uber) der vergangenen Jahre, wären ohne eine externe Finanzierung lange nicht dort, wo sie heute stehen. Viele Märkte erfordern ­externe Finanzierung, um kritische Phasen zu überbrücken.

Allerdings denke ich, dass die Erfahrung der Selbstfinanzierung eine gänzlich andere ist und gerade für junge und unerfahrene Gründer eine enorm wichtige sein kann. Marktvolumen, Zukunftsperspektive und vor allem der Wert der Idee treten schnell in den Hintergrund, wenn man keine Rechnungen bezahlen kann. „Bootstrapping“ bringt einen schnell zurück auf den Teppich.

 

 

Foto: Jigal Fichtner für econo

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