Foto: Jigal Fichtner für econo

Der Patron

Hermann Bareiss führt das gleichnamige Hotel seit 41 Jahren. Er hat das Haus in Baiersbronn zur Legende aufgebaut. Sein Ziel ist bis heute das Gleiche: eine heile Welt schaffen. Damit die Gäste keine Alternative suchen.

Baiersbronn. Es ist ein Klischee, ein abgedroschenes. Doch an kaum einem anderen Ort passt es besser: Wer in Baiersbronn-Mitteltal von der Ruhesteinstraße in den ­Eulengrundweg einbiegt, in wenigen Kehren bei der Weiterfahrt rasch an Höhe gewinnt, rechts abbiegt in den Hermine-Bareiss-Weg, der landet nach einigen Hundert Metern - in einer anderen Welt: dem Hotel Bareiss.

Viele Worte muss man um das Ensemble nicht verlieren. Das Bareiss gehört schlicht zu den besten Anlagen der Welt. Die Tür in das Büro des Mannes, der das Hotel seit ­ 41 Jahren prägt, ist leicht zu übersehen. Gleich rechts neben dem Eingang geht es zu Hermann Bareiss.

Der 70-Jährige empfängt den Besucher wie ein Gastgeber im besten Sinne. Warme Worte, Plauderton. Schnell entspinnt sich ein ­anregendes Gespräch, mit klaren Bekenntnissen: "Schöne Hotels gibt es überall. Das habe ich schon in den 1980er-Jahren verstanden." Bareiss hält inne, lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Er ist ein geübter Redner, die sonore Stimme untermalt das Gesagte. Bareiss weiß um die Kunst, die Pause als Stilmittel einzusetzen. Dann sagt er: "Schon damals war klar: Bei dem aufkeimenden internationalen Hotelboom konnten wir als kleines, familiengeführtes Haus nicht mithalten. Wir haben uns deshalb auf das konzentriert, was andere nicht können: Gastfreundschaft, die von Herzen kommt."

Knapper lässt sich der Aufstieg des Bareiss zur Legende kaum ausdrücken. Immerhin ist Mutter Hermine Bareiss ein Wagnis eingegangen. Sie kam als Witwe nach Kriegsende in den Heimatort ihres verstorbenen Mannes, Baiersbronn. Die Zeiten waren hart, gerade für eine Alleinerziehende mit zwei Kindern. Doch sie konnte ebenso hart und erfolgreich arbeiten, das hatte sie in einer Metzgerei in Düsseldorf bewiesen. Und so krempelt Hermine Bareiss erneut die Ärmel auf, übernimmt ab 1947 das Gasthaus Kranz. Am 1. Mai 1951 erfüllt sich dann ihr Traum: Sie eröffnet das Kurhotel, ein eigenes Haus!

Die bescheidenen Anfänge waren rasch überwunden - der Preis dafür: Der Gast steht stets im Mittelpunkt. "Und wir Kinder immer mittendrin", erinnert sich Bareiss. Das prägt. Viel Platz für ein Leben außerhalb bleibt da nicht. Der Hotelier ist bis heute ein Patron im Wortsinne: ­ ein Vater, für die Gäste ebenso wie für die 260 Mitarbeiter. Deshalb ist sein Büro an dieser Stelle, direkt neben der Eingangstür, im Rücken von Rezeption und Verwaltung. ­ Vor seinem Fenster kann er der Begrüßung der Gäste lauschen.

Wenn das Hotel dem Klischee nach eine andere Welt darstellt, dann ist das Zimmer mit seinen stimmigen grünen Grundtönen und den Hölzern in einem englisch-angehauchten Einrichtungsstil deren Mittelpunkt. Eine These, der Bareiss widerspricht: "Der Gast ist der Mittelpunkt! Es darf für ihn keine Alternative zu uns geben."

Eine Stammgastquote von 70 Prozent, Gäste die zwei-, dreimal pro Jahr einkehren, das kommt nicht von ungefähr. Patron Bareiss steht im permanenten Austausch mit anderen Hoteliers, wie der befreundeten Familie Finkbeiner ("nur über allgemeine Trends, nicht über die Strategie!"), und natürlich permanent mit seinen Gästen. Zusammen mit seinem Sohn Hannes, der inzwischen die Geschäftsführung des Hauses innehat, dreht er täglich im Haus und Garten seine Runden, setzt sich zum Gästestammtisch dazu und plaudert: "In einem Burj al Arab kann man eine solche Nähe nicht erzeugen."

Ein solches Haus kann sich aber auch nicht einfach neu erfinden. Bareiss kann es. Im Oktober 1993 brennt ein Teil des Ensembles ab. Der Patron wagt trotz Unwägbarkeiten den Wiederaufbau. Und bricht zugleich mit Traditionen: Statt des "Murgtal-Barocks" aus wuchtigen, dunklen Balken prägt er seinen eigenen Landhaus-Stil. Das kommt an. Ebenso wie die vielen anderen Neuerungen von geführten Wanderungen ("noch in den 1980er-Jahren waren die Gäste mit Speckvesper und viel Kirschwasser zufrieden. Heute wollen sie etwas erfahren, nicht nur konsumieren.") bis hin zum renovierten Morlokhof als Ziel für Gruppen und Tagungen. Für seine Neuerungen erhielt Bareiss stets viel Anerkennung, Auszeichnungen sowieso.

Heute ist das Bareiss ein Drei-Generationen-Hotel, Spielhaus inklusive. Also unterm Strich eine heile, eine perfekte Welt, diese andere Welt? Bareiss hält kurz inne, lehnt sich zurück, legt die Fingerspitzen auf Mundhöhe aneinander. Anzug, Krawatte, Einstecktuch und Manschettenknöpfe sind Ton in Ton perfekt abgestimmt. "Für den Gast auf jeden Fall. Alles andere ist unsere eigene Sache."

 

Das Porträt erschien zuerst im September des Jahres 2014 in der Print-Ausgabe von Econo.

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