An den Wänden des Besprechungsraums herrscht Chaos. Auf Landkarten des US-Hinterlands, mehrere Meter breit, durchstoßen rote Pfeile gelbe und graue Flächen. Zahlenkolonnen daneben, schraffierte Flächen darüber, hier noch ein Pfeil, da noch eine Legende. Laien stehen erst mal komplett auf dem Schlauch. Thomas Gutschlag lächelt, wenn er vor die Wand tritt – und die Welt der Deutschen Rohstoff AG erklärt. Ist ja nicht das erste Mal, scheint dieses Lächeln sagen zu wollen.
Während draußen die Sommerhitze Heidelbergs Altstadt dünstet, referiert drinnen Thomas Gutschlag über die Nische, in der die Deutsche Rohstoff so erfolgreich ist: Die Heidelberger suchen auf der ganzen Welt nach Rohstoffvorkommen: kaufen, entwickeln, sammeln, verkaufen – idealerweise für mehr Geld, als es gekostet hat. Gold, Kupfer, seltene Erden oder Wolfram finden sich im Portfolio der Kurpfälzer. „Unser Schwerpunkt liegt aber auf dem Öl- und Gasgeschäft“, sagt Gutschlag und zeigt auf die schraffierten Flächen auf der Landkarte: Dort fließt das Öl bereits, andernorts lohnt es nicht, an anderen ist das noch nicht sicher. Das Geschäft mit Rohstoffen ist Detailarbeit: Zahlen, Daten, Fakten sammeln, auswerten. Und doch entscheidet ab und an der Bauch.
Gutschlag war angesehener Manager bei der Deutschen Börse in Frankfurt, dann Unternehmensberater. Die Faszination für die Welt der Rohstoffe kommt während eines Projekts – aus dem aber nichts wird. Gutschlag ist infiziert und gründet im Jahr 2006 gemeinsam mit Titus Gebel die Deutsche Rohstoff AG. Der gebürtige Heidelberger tauscht den sicheren Job gegen jenes Risiko, das Unternehmensgründer eingehen, noch dazu in einem ungeheuer volatilen Markt. Gutschlag zuckt mit den Schultern, wirkt aufrichtig gleichgültig: „Es war an der Zeit, was eigenes zu machen. Und ich wusste, dass es funktionieren wird.“
Einst waren Rohstoffe in Deutschland Sache der Großen: BASF, Bayer, Thyssen. Die haben das Feld längst den globalen Riesen wie BHP Biliton, Rio Tinto oder Anglo American überlassen. Die Deutsche Rohstoff, seit 2011 an der Börse notiert, wirkt mit ihren knapp 20 Mitarbeitern daneben winzig wie eine Ameise. Allerdings ist sie eine sehr erfolgreiche: Im vergangenen Jahr hat Gutschlag einen Rekordgewinn erwirtschaftet. Unterm Strich steht ein Plus von 54 Millionen Euro.
Der CEO lächelt. „Es lief ganz gut für uns.“ Das Timing passte perfekt. Mitte 2014 trennen sich die Heidelberger von Ölförderprojekten in den USA und kassieren so 140 Millionen US-Dollar. Kurz danach bricht der Ölpreis ein. Des einen Freud, des anderen Leid. „So ist das Geschäft. Die Rohstoffmärkte sind gefangen im Schweinezyklus“, sagt Gutschlag, der auch schon die andere Seite kennen gelernt hat: Auf die Beteiligungen an Wolfram-Minen muss er 2013 rund zehn Millionen, im Jahr darauf knapp 15 Millionen Euro abschreiben. Das bringt die solide finanzierten Heidelberger zwar nicht ins Wanken, aber es erinnert einen daran, ruhig zu bleiben und nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Anfällig für Höhenflüge ist Gutschlag ohnehin nicht. Das Wort bodenständig umschreibt ihn gut. Man kann es auch spießig nennen. Man muss es aber nicht. Urlaub? „Ich bin so häufig unterwegs, da bleibe ich lieber daheim“ Hobby? „Golf.“ Durch einen Markt, der hysterisch kurzfristig zwischen Hoch und Tief oszilliert, manövriert man am besten mit ruhiger Hand und stabilem Gemüt.
Gutschlag blickt zur Uhr, sein Rücken streckt sich kurz. Anzug und Krawatte sitzen perfekt. Der Termin um halb eins ist dran. Ein Lächeln, ein Handschlag. Draußen wartet die Hitze. Drinnen ordnet Thomas Gutschlag weiter das Chaos, das nur für Laien existiert.