Lenzkirch. Sorgfältig legt Burkart Knospe die Fingerspitzen aufeinander, die Ellenbogen sind auf den Tisch gestützt. Seine hellblauen Augen blitzen, das gesamte Gesicht strahlt. Die Bilanz, die Zahlen fürs Jahr 2012 rücken mit einem Mal in den Hintergrund. Die Körpersprache des Testo-Vorstandschefs sagt in diesem Moment: Jetzt wird's interessant!
In der nächsten Sekunde legt Knospe los, referiert atemlos über das Produkt "Testo 270" des Messtechnik-Spezialisten. Spielerisch baut er Begriffe wie "karzinogen" in seine Sätze ein, sein Deutsch hat einen leicht amerikanisch-kaugummiartigen Einschlag. Mit dem "Testo 270" prüfen Fast-Food-Ketten weltweit die Qualität ihres Frittierfetts. Nicht nur der Kunden wegen, vor allem aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Das Produkt ist der Renner. Mit glänzenden Augen schaut Knospe die Pressevertreter einzeln an. Die Leidenschaft des Testo-Chefs zeigt seine Begeisterung fürs Verkaufen, für den Vertrieb.
Einige Tage nach dieser Szene während der Pressekonferenz trifft Econo den Testo-Chef in dessen Büro am Stammsitz Lenzkirch. Die bodentiefen Fenster öffnen den Blick über den Vorplatz ins weite Tal. Das Büro wirkt nüchtern, aber warm. Zum Empfang stellt Knospe unvermittelt eine Frage: "Die Schlagzeilen waren schon negativ, oder?" Am Tag nach der Pressekonferenz hoben die Zeitungen das ungenügende Wachstum hervor. Knospe ist darüber nicht empört. Der 51-Jährige kennt die Branche, hat während seines Volkswirtschaftsstudiums an der Uni Freiburg, später als Dozent an der Humboldt-Uni in Berlin für Zeitungen gearbeitet. "Journalismus wäre für mich eine Option bei der Berufswahl gewesen", sagt Knospe und grinst. Dabei kräuselt sich charakteristisch die Nase. Er hatte auch Angebote von Unternehmensberatern. Seinen Ruf als "heller Kopf" hat er da schon weg.
Gerd Knospe erkennt in seinem Sohn ebenfalls Potenzial. Und will ihn für Testo haben. Sohn Burkart kennt die Firma, seit er neun Jahre alt ist. Damals zieht er mit den Eltern nach Titisee-Neustadt, der Vater arbeitet sich all die Jahre bei Testo bis zum Geschäftsführer hoch. Über das Grundstück, auf dem heute die Niederlassung Titisee-Neustadt steht, ist der Sohn als Steppke zum Bahnhof gelaufen. "Am Hang hinterm Neubau hab ich's Skifahren gelernt." Nachhaltig geprägt hat es ihn nicht. Fotografieren und Tauchen sind heute seine Passionen. Auch der Ruf zu Testo löste keine spontane Begeisterung aus. "Mein Vater hat es geschickt angestellt und mich zunächst wochen- und monatsweise mitarbeiten lassen."
Das Gespür fürs Unternehmen wächst, er findet den sprichwörtlichen Draht. Es folgt der nächste Schachzug des Vaters: 1992 schickt er den Sohn in die USA, er soll die Tochtergesellschaft aufbauen. Burkart Knospe: "Ich bin sehr froh über das Vorgehen meines Vaters, denn ich war doch sehr grün hinter den Ohren." Fünf Jahre ist der Zwei-Meter-Mann Managing Director, eine prägsame Zeit. "Ich war in der Telefonliste die Nummer zwei als Ansprechpartner für die Kunden. Auf diese Weise habe ich den richtigen Zugang zum Geschäft, zum Verkaufen bekommen."
1997 wird er Geschäftsführer Vertrieb, 1998 Sprecher der Geschäftsführung und ist seit 2002 Vorsitzender des Vorstandes der Testo AG. So Schlag auf Schlag sich das liest, geht auch der Umbau voran. Unter der Leitung von Sohn Burkart steigt der Umsatz von 50 Millionen auf 221 Millionen Euro, die Zahl der Kunden hat die 150.000er-Marke durchbrochen, man ist teilweise Marktführer. Testo ist innovationsgetrieben, die meisten Produkte sind unter drei Jahre alt - so wie der Frittierfett-Tester. Rund elf Prozent des Umsatzes wandern in Forschung und Entwicklung. Knospe feuert die Mitarbeiter ständig an, über Neuerungen nachzudenken. Auch er macht das. Und holt sich auch mal eine Abfuhr bei seinen Ingenieuren. Knospe nimmt es mit Humor.
Schlimm ist es für ihn nur, wenn man etwas unversucht lässt. Und wenn man nicht um die Ecke denkt, um etwas zu erreichen. Für die AG ist aber noch etwas anderes wichtig: Knospe ist inzwischen größter Aktionär bei Testo. Und bis 2020 soll seine Familie die einfache Mehrheit haben. Setzt er damit auf seine Kinder als Nachfolger? Knospe lehnt sich zurück, legt die Fingerspitzen aneinander, schaut einen direkt an: "Wir sind ein Konzern, deshalb muss jemand an der Spitze stehen, der besser als die anderen ist. Warum muss das am Blut hängen?"
Das Porträt ist zuerst Anfang 2013 in der Print-Ausgabe von Econo erschienen.