Hans-Peter Umüßig ist nicht groß. Er ist eher klein gewachsen. Doch wenn es darum geht, aus Fläche Raum zu machen, aus einem Brachland ein Projekt, aus einem Stück Geschichte die Zukunft, dann ist er einer der Größten in Südbaden. In Freiburg sicher der Größte.
Hans-Peter Unmüßig, den Hans sprechen nur seine Schulfreunde noch aus, das Scharf-S verschwindet im Firmennamen, doch: "Ich lege großen Wert darauf." Was ist er nun? Ist er moderner Feldherr, der Flächen erobert, um sie zu Gebäuden und die Gebäude zu Geld zu machen? Ist er Pionier? Baulöwe? Heuschrecke gar?
Die Antwort ist schwierig.
Doch wenn man Unmüßig getroffen hat, ihm zwei Stunden zugehört hat, den Ausführungen über seine Stadt, über seinen Beruf, über sein Denken, dann sieht man sich danach nicht imstande, ihn in irgendeine dieser Schubladen zu stecken.
Ein Baulöwe ist er sicher nicht. Dieser Begriff trifft eher auf seinen Vater zu. Adolf Unmüßig war ein Bauunternehmer im klassischen Sinn. Er zog Siedlungen hoch, weil Siedlungen gebraucht wurden. Als er dann vor 37 Jahren seinen Sohn, damals 25 Jahre alt, ins Unternehmen holt, macht der gleich etwas anders: Er baut sechs Reihenhäuser - und verkauft sie. Sein nächstes Projekt: 26 Reihenhäuser.
Heute arbeitet er nur noch so: finden, planen, verkaufen. Nur an institutionelle Anleger wie Versicherer und Fonds. Anleger, die langfristig denken und sichere Rendite suchen. Längst sind aus Reihenhäusern ganze Wohnviertel geworden. Unmüßig baut kleine Städte in der Stadt. Die Westarkaden auf dem Gelände der ehemaligen Holzhandlung Brielmann in Freiburg sind das aktuelle Beispiel. 350 Wohneinheiten, Nahversorgung, Läden und Geschäfte.
Wenn Unmüßig von solchen Projekten spricht, neigt er dazu, nicht von den 130 Millionen Euro zu sprechen, die hier investiert wurden, sondern von Kleinigkeiten. Das Quartier in seinem Städtle. Das Dächle, unter dem die Menschen leben. Das Gässle, das Eckle, das Lädle - alles ganz possierlich.
Vielleicht liegt es daran, dass er sein Büro im fünften Stock hat. Per Panoramablick sieht er ganz Freiburg, und von dort oben sieht wirklich alles winzig aus. Wer viel bewegt und nachhaltig verändert, der muss Kritik aushalten. Für seine Gegner ist Unmüßig die Inkarnation eines Pfeffersacks. Sie sehen in ihm den zähen Patriarchen, der sich den öffentlichen Raum zu eigen macht und der Stadt seinen Stempel aufdrückt. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Zumindest Letzteres ist nachweislich falsch. Unmüßig muss Verluste in Kauf nehmen, sogar die eigenen. Der Bau eines Geschäfts- und Wohnhauses zwischen Innenstadt und Hauptbahnhof, hat ihn viel Geld gekostet. Unmüßig lag mit den Nachbarn über Kreuz, musste sich schließlich einen Kompromiss erkaufen. Jetzt wird wieder gebaut. "Gutes lässt sich nicht aufhalten", sagt er trotzig.
Auch der Vorwurf, dass dem reichen Unmüßig das Schicksal der Ärmeren wurscht sei, lässt sich nicht bestätigen. Nie gerät Unmüßig so in Wallungen, wie wenn er über verfehlte Siedlungspolitik spricht. Freiburg brauche jedes Jahr 1000 neue Wohnungen, sagt er. Wo ist denn der Beitrag der Stadt? Oder der städtischen Wohnbaugesellschaft? Unmüßig sagt deutlich, was er davon hält, dass eine Familie mit drei Kindern sich keine Wohnung in Freiburg mehr leisten kann. "So geht mein Städtle kaputt", schimpft er.
Während die Stadt noch mit Anwohnern um die Fläche für einen neuen Stadtteil feilscht, hat Unmüßig bereits die Westarkaden gebaut. Auf dem antiken Schreibtisch in seinem Büro stapeln sich dicke, schwarze Mappen. "Jede ist ein Problem", scherzt Unmüßig. Weglegen wird er keine. Um den Bakola-Bau, das Ensemble aus Sparkasse und Unmüßig-Hochhaus, hat er ein Jahrzehnt gekämpft. Auch die Westarkaden haben von Idee bis Fertigstellung fast zehn Jahre gedauert.
Doch nun hat Unmüßig das Projekt exportierbar gemacht. In Heidelberg entsteht ein ähnliches Objekt nach seinem Muster. Heuschrecken ziehen übers Land, fressen alles Nahrhafte und hinterlassen Ödnis. Unmüßig tut das Gegenteil. Er hinterlässt Werte. Er baut acht Stockwerke, wo vorher ein Loch in der Stadt war. Das fällt auf, das polarisiert. Doch wenn er überzeugt ist, das Richtige zu wollen, dann lässt er nicht locker, bis er es auch tun darf. So ist er.
Das Porträt erschien zuerst in der Print-Ausgabe von econo im Dezember 2013.