Überflieger in der Glitzerwelt

Econo-Klassiker: Heinz Gebauer führt einen der größten Schaustellerbetriebe im Land. Die Familie organisiert seit Jahrzehnten Volksfeste im Südwesten, wollte in Konstanz direkt am Hafen ein Riesenrad bauen. Der Grund des Erfolgs? Alles selbst machen können

Die Welt da draußen hat hier drinnen keinen Platz. Da draußen sind bunt blinkende Glühbirnen, wummernde Bässe, Zucken Lichtblitze. Die Glitzerwelt des Rummels eben. Hier drinnen lehnt sich Heinz Gebauer in einem Schreibtischstuhl zurück, in der rechten Hand mehrere rote Fahrchips für die Wagen seines Autoscooters. Der 40-jährige sitzt in seinem Verkaufshäuschen, von außen ist es grell besprüht, drinnen zweckmäßig statt glamourös. Der Kontrast könnte kaum größer sein.?

"Unsere Welt ist eben eine besondere", sagt Genauer und grinst wie ein großer Junge.??

Schausteller! Was schwingt in dem Wort nicht alles an Mythen und Ängsten mit. Der groß gewachsene Blondschopf verdreht die blauen Augen. Er kennt das alles: "Früher hieß es, holt die Wäsche rein, die Schausteller kommen. Heute können wir selbst bald nichts mehr draußen lassen." Gebauer ist auf dem Rummel groß geworden, er liebt den Beruf. Deshalb hat er ihn vor 20 Jahren ohne den Druck der Eltern Bärbel und Heinz Gebauer nach der Lehre zum Elektriker ergriffen. Wenige Jahre später stirbt der Vater. Und der Sohn steht Anfang 20 in der Verantwortung für eines der größten Schaustellerunternehmen im Land mit sechs Fahrgeschäften und vier Verlosungen. Die Familie organisiert seit Jahrzehnten im ganzen Südwesten Volksfeste.

Heinz Gebauer Senior hat das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut - mit einem aus einem Baumstamm selbst gezimmerten Karussell zog er los. Überhaupt hat die Familie Geschäftssinn: Ein Zweig gründete ein Handelsunternehmen für Schausteller-Waren - Teddybären und so - ein anderer das "Traumland an der Bärenhöhle" auf der Schwäbischen Alb. Erfolg haben sie alle.

Der Erfolg ist das Ergebnis harter Arbeit. Nur wer das mag, kann es in der Glitzerwelt schaffen. Das hat der Vater dem Sohn von klein auf vermittelt. "Es klingt abgedroschen, aber für uns gilt das in besonderem Maße. Wir sind die Erstens, die morgens aufstehen und die Letzten, die abends ins Bett gehen", sagt Gebauer. Dazwischen liegen teils 16-, 18-Stunden-Arbeitstage ohne große Pausen: "Auf dem Platz kümmern wir uns um die Toiletten, die Stromanschlüsse, dass die Fahrgeschäfte der Kollegen am richtigen Platz stehen, um die Genehmigungen von Behörden, um mit unserem überlangen Schwertransport überhaupt fahren zu dürfen, hängen Plakate auf und sprechen mit der Presse. Und unsere eigenen Fahrgeschäfte müssen auch aufgebaut werden." Dass Gebauer das alles nicht seinen Angestellten überlässt, zeigen seine Hände - die nach kurzem Waschen indes ebenso top sind wie die Kleidung.

Genau das ist eines der Geheimnise des Erfolgs der Familie: das verbindliche Auftreten. Das im positiven Sinne Gutbürgerliche. Am Wohnort Konstanz genießt die Familie besten Leumund, ist bestens vernetzt. Und in den Volksfest-Orten werden die Gebauers erwartet: "Im vergangenen Jahr hat mir ein Junge einen Autoscooter gebastelt." Gebauer springt aus seinem Sessel auf, greift in den Schrank, holt das Modell heraus: "So etwas kann man doch nicht wegwerfen!"

Dieser Zuspruch der Leute ist zugleich sein Antrieb. Auch wenn dieser Zuspruch von vielen Launen abhängt, hauptsächlich der Natur. Das macht die Einnahmesituation im Frühjahr zum Lotteriespiel. Gebauer: "Es braucht drei, vier Feste, um finanziell ins Laufen zu kommen." In den Wintermonaten geht ohnehin nichts. Dafür steigen generell die Kosten - nicht nur für den Strom für die 16.000 Birnen am Autoscooter. Dieselpreis, Platzgebühren, die Kosten für den Elektriker - Gebauer darf das trotz Ausbildung nicht selbst tun - alles wird teurer. Ein neues Dach für ein Fahrgeschäft kostet 10.000 Euro, ein Wagen für den Autoscooter 5000 Euro. "Wir wägen jede Investition genau ab, denn Preiserhöhungen sind heikel." Er hat es jetzt aber doch gewagt, zwei Euro kostet nun eine Fahrt regulär, 2,50 waren es zu D-Mark-Zeiten.

Diese Unwägbarkeiten gepaart mit Geschäftssinn haben Gebauer vor einiger Zeit einen Vorstoß wagen lassen: "Wir wollten ein Riesenrad direkt am Hafen in Konstanz aufbauen. In Großstädten wie London funktioniert das prima und in Konstanz gibt es genügend Touristen." Gut eine Million Euro hätte die Familie investiert, die Finanzierung stand, Partner aus dem Tourismus waren gefunden, die Verwaltung war offen für das Projekt. Der Gemeinderat nicht.

Ein Rückschlag? Gebauer richtet sich in seinem Stuhl auf, lächelt sein Große-Jungs-Lächeln: "Bestimmt nicht! Schausteller lassen sich doch von so etwas nicht aus der Bahn werfen."

Das Porträt wurde zuerst in der econo-Print-Ausgabe 5/2013 veröffentlicht.

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